Archiv des Autors: Helgoe17

Drei Paare

Rolf Hartung Drei Paare, Tuschestift auf Papier, Collage 1984

Als Zeichner ist Rolf Hartung unvergleichlich.
Diese heitere lockere Collage dreier kleinformatiger Zeichnungen wurde deshalb als neues Logo seiner Homepage ausgewählt.

Das vorherige Logo sei hier noch einmal abgebildet:

Portrait eines russischen Bauern

Gerasim – um 1942 – Bleistift auf Papier

George – um 1942 – Bleistift auf Papier

 

 

 

 

 

 

 

 

 

„Auch der Krieg hat seinen Frieden!“ (B. Brecht, „Mutter Courage“)
Die schönsten Zeichnungen Hartungs stammen aus dem Krieg.
Die Soldaten der Nachrichtenkompanie waren nur einige Male direkt an der Front. Im Hinterland ging es menschlicher zu. Mit Zeichenblock und Stift wurde Hartung von seiner Kompanie zum Besorgen frischer Nahrungsmittel losgeschickt. Er hat sich gern („Feldpostnummer 11063“) daran erinnert, was das für ein Ereignis war in den Dörfern, in denen man nur ein paar kleine Heiligenbilder aufgehängt hatte, und den Fotoapparat nicht kannte. Erst nach langem Hin und Her entschied sich schließlich ein Mann, Porträt zu sitzen. Das Bild wurde begutachtet, wechselte den Besitzer, und es gab Milch und Eier. Am nächsten Tag kamen zögernd die anderen, und dann auch die Frauen. Rolf Hartung erzählte oft, wie herzlich die russischen Bauern waren.

Etwa 60 Zeichnungen sind aus Russland erhalten geblieben, darunter viele großartige Porträts. Diese Zeichnung zeigt einen Bauern aus dem Winterquartier in Belawka.

Streichen eines Bootes im Dock

Streichen eines Bootes im Dock (Gouache)

Von seinen Landschaften auf Papier – meist Gouachen – fiel es Rolf Hartung außerordentlich schwer, sich zu trennen.
Sehr gern malte er Häfen und Boote mit einem pastosen, vereinfachenden, sehr beeindruckendem Farbauftrag. In kleinem Format (um 24 x 34 cm) sind sie von großer Monumentalität und traumhaft sicherer Form.
Das abgebildete Werk „Streichen eines Bootsrumpfes“ strahlt Ruhe aus, Ruhe und Stetigkeit. Die Farben sind sehr pastos, die Wirklichkeit verdichtet und verschoben: die streichenden Männer kaum wahrnehmbar, die Taue dick wie Eisen, das Wasser im Vordergrund wolkenleicht. Der Himmel aber drückt erdig schwer wie mit einer Faust auf das Boot. Der geschwungene weiße Bootsleib fängt ihn auf wie eine Schale. Gleichzeitig schwerfällig und elegant, kraftvoll und mühelos stemmt es sich hoch, das Wassergeschöpf Boot.

Teuflische Eingebung

Teuflische Eingebung – nach 1980 – Lackfarbentechnik auf Hartfaser

Eines der ausdruckstärksten Bilder aus der Lackfarbenepisode. Die Farbe ist alleiniger Bedeutungsträger geworden. Vor dem dunklen Hintergrund hebt sich bleich das Profil der bösen Frau heraus. Mit weit geöffnetem Auge, das Kinn schon tatbereit vorgesteckt, horcht sie in sich hinein auf die Einflüsterung des Teufels, der sich kalkweiß mit tiefrotem überbreitem Mundspalt über sie beugt, weiß gehörnt, mit zweifarbigem Blick, kaum verhüllt durch Blumen und ein Harlekinsgewand. Das Bild hinterlässt einen intensiven Eindruck, aber einen, dem man sich entziehen möchte

(Auszug aus: „Rolf Hartung – Frauenbilder“)

Selbstbildnis mit Masken

Selbstbildnis mit Masken (Öl, 1948, verschollen)

Forschend fixiert, die Mitte des Bildes einnehmend, ist ein junger Mann, Rolf Hartung, dem Betrachter vis-à-vis. Er hält in der Rechten eine Faschingsmaske mit struppigem, breitem Schnurrbart und verdeckt damit zur Hälfte sein Gesicht.…
Es ist ein verschollenes Selbstbildnis des Künstlers, das 1948 entstand, drei Jahre nach Kriegsende. Individuelle Merkmale sind akzentuiert und versichern die personelle Identität. Seine Augen sind groß und betont, schwarz und scharf gezeichnet die Augenbrauen, ebenso bestimmt geformt: Stirn und Haar des Dargestellten.…
Dicht vor ihm lehnt zwischen einem Ensemble von Glasflaschen und Gefäßen an einem Krug mit Pinseln eine weitere Maske. Und seitlich ist schließlich eine dritte zu sehen. Das gegenständliche Arrangement des Vordergrundes, das den Oberkörper des Porträtierten fast verdeckt, etikettiert attributiv die Sphäre des Ateliers.
Dieser Unverwechselbarkeit der Person durch die Prädikate charakterisierender Formen und Gegenständlichkeit steht die Geste der Maskerade gegenüber, als ein Widerspiel des Bekennens und des Versteckens, der Selbstpräsentation und der Verhüllung von Identität.
Spielt hier jemand mit den Möglichkeiten des Maskierens, sich in einer anderen Rolle darzustellen, mit der Lust am Theater und der Freude am Spiel oder ist die Maske Ausdruck von Camouflage, des sich Verbergens und der Tarnung, der Verwirrung? Die Paradoxie von Selbstoffenbarung und Selbstverstellung ist diesem Selbstbildnis eigen. Nicht die Person im alltäglichen Leben ist in diesem Bild vergegenwärtigt, nicht das künstlerische Selbst in einer überhöhten Pose. Wenn es denn nicht dokumentarisch zu verstehen ist, so vielleicht doch programmatisch: als eine Auseinandersetzung mit der Frage nach dem eigenen Verständnis, dem Selbstverständnis als Künstler. Vielleicht ist es aber auch noch mehr als die Frage an den Spiegel, an das Selbst, vielleicht ist es auch eine Frage jenseits dessen an die Welt – ihm gegenüber.…
Wie eingangs erwähnt, entstand das Bild kurz nach dem Krieg 1948, also in einer Zeit des Umbruchs, dem Ende einer Weltkatastrophe, in einer Welt, die noch an den Folgen litt, am Beginn eines unbekannten Neuen, einer ungewissen Zukunft, der Neuorientierung der Hoffnungen und der Ängste. …

Aus: Jan Enderlin, Rolf Hartung im zeitgeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Kontext unter besonderer Berücksichtigung des Maskenmotivs, 2005 (in: „Achtung Hartung, ein Kaleidoskop“, 2005
mit Genehmigung des Autors